Do it yourself!

Artist-Run-Spaces, Produzentengalerien und andere selbstverwaltete Kunsträume

 

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Ob der neue Projektraum easy upstream in München, der die Wegrichtung schon im Namen trägt, der seit 1974 bestehende Ausstellungsraum Klingental in Basel oder das NETZWERK FREIER BERLINER PROJEKTRÄUME UND –INITIATIVEN – es gibt unglaublich viele selbstverwaltete Projekträume von Künstlern und Künstlerinnen, mit unterschiedlichsten Profilen, Konzepten und Schwerpunkten. Warum werden KünstlerInnen zu Galeristen? Nachdem wir über die Vermarktung künstlerischer Inhalte im 21. Jahrhundert, Kunstpreise und Produzentenmessen gesprochen haben, wenden wir uns den Projekträumen zu.

Wer Kunst macht, der möchte sie im Regelfall auch zeigen. Doch der Weg in die Galerien und Institutionen ist ein weiter, steiniger und oft verschlungener Pfad. Deshalb entstehen immer wieder von Künstlern und Künstlerinnen selbstverwaltete Projekträume, mit denen sie die Sache selbst in die Hand nehmen und eigene Ausstellungen realisieren. Diese Räume werden je nach Gruppe und Konzept Offspaces, artist run spaces oder Produzentengalerien genannt. Dass KünstlerInnen ihre Arbeiten selbst vermarkten und verkaufen ist kein neues Phänomen; schon um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert vernetzen sich KünstlerInnen, um ihre Interessen zu vertreten in Genossenschaften, Berufsverbänden oder Künstlervereinen. So entstehen um Beispiel die Secessionsbewegungen aus dem Bedürfnis, sich aus der Abhängigkeit von institutionalisierter Ausstellungspolitik und staatlicher Kunstförderung herauszubewegen und Unabhängigkeit zu gewinnen.

Die Avantgardebewegungen, die sich zum Beginn des 20. Jahrhunderts herausbilden, wenden sich gegen institutionalisierte Kunstpraktiken, propagieren das Neue und verschmelzen Leben und Kunst. Was dort seinen Anfang nimmt, erlebt einen zweiten Boom in den 1960er Jahren mit den Neoavantgarden und einer allgemeinen Institutionenkritik durch die politisierte 68er Generation. Auch die Entwicklung der Performance Art spielt hier eine Rolle; mit ihr wird nicht nur der Werkbegriff in Frage gestellt, sondern auch die Orte an denen Kunst stattfinden kann. Der öffentliche Raum wird zum potenziellen Ausstellungs- und Aufführungsort, jeder Raum kann zum Kunstraum umgewandelt werden.

In den Avantgarde- und Neoavantgardbewegungen sind die Veränderungen von Organisationsstrukturen eng verknüpft mit der Kritik an verkrusteten Strukturen und Institutionen. Heute sind es vor allem Marktstrukturen, die eine ausschlaggebende Rolle spielen. Das 21. Jahrhundert startet mit der Ich-AG, dann führen Facebook und Instagram den Trend zur Modellierung des Eigenbildes fort. Nicht nur Ökonomie und Arbeit unterliegen somit einem Umbruch, sondern auch Inszenierung und Wahrnehmung der eigenen Person. Damit einher kommen die Angst vor dem Scheitern und der Druck leistungsfähig und kreativ zu bleiben. Das ‚self-promoting‘ gehört inzwischen ebenso wie die Stunden im Atelier zum Arbeitsspektrum eines Künstlers. Präsent sein, ein Profil entwickeln, sich vernetzen – das sind Herausforderungen vor die Künstler und Künstlerinnen heute gestellt sind, inklusive der Gratwanderung zwischen Erfüllungsdruck und Achtsamkeit für sich selbst.

Die Option einen selbstverwalteten Raum zu gründen oder sich einem bereits bestehenden anzuschließen, wird vor allem von jungen und noch nicht etablierten Künstlern wahrgenommen. Insofern leisten sie die Aufbauarbeit, die klassischer Weise eine Galerie macht, selbst: sich bekannt machen, Ausstellungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, Ausstellungen kuratieren, Einladungen verschicken, Marketingkonzepte überlegen, Pressemitteilungen verfassen etc. Diese Aufgaben können in einer Gruppe geteilt werden, häufig gesellen sich auch junge KuratorInnen und weitere Kreativschaffende dazu, um einen Schritt in den Arbeitsmarkt zu finden.
Gerne werden Offspaces in zwischengenutzen Räumen installiert, da in vielen Städten Raum für Kunst nur teuer zu bekommen ist. Zwischennutzungen werden teilweise von städtischer oder auch von privatwirtschaftlicher Seite gefördert, um Leerstand zu vermeiden oder Viertel und Immobilien ggf. aufzuwerten. Förderungen und auch die Erträge aus diesen Räumen sind auf materieller Ebene selten deckungsgleich zum Arbeitsaufwand, der durch die Betreiber hineingesteckt wird.

Auf der Ebene des symbolischen Kapitals sieht das anders aus, denn das Profil der Künstler und Künstlerinnen kann durch das Engagement geschärft werden, die Bekanntheit steigt, das Netzwerk dehnt sich aus. Steht der Kunstraum für Innovation und das Abbild zeitgenössischer Tendenzen, so wird er zum Treffpunkt nicht nur für KünstlerInnen, sondern auch für KuratorInnen, SammlerInnen und Kunstinteressierte. Eine der erfolgreichsten Initiativen ist die 1973 gegründete Produzentengalerie Hamburg. Seit den 1980er Jahren gehört sie zu den führenden Galerien für zeitgenössische Kunst in Deutschland.
Und für alle, die sich gleich in die Welt der Projekträume stürzen möchten: Die Produzentengalerie Berlin ist auf der Suche nach Künstlern http://www.berlin-produzentengalerie.de

Text: A.R.