Über die Vermarktung künstlerischer Inhalte im 21. Jahrhundert

seen at MANIFESTA 2016 cartoon by Pablo Helguera
Dank van Gogh oder den Interpreten von heute lebt der Mythos vom Künstler als romantischer Einzelgänger fort. Doch in der Realität arbeiten Künstler hart daran, diesen Mythos zu verwirklichen. Tatsache ist, dass Künstler von ihrer Kunst leben müssen. Und obwohl Künstler viel an guter Kunst liefen, so nehmen sie doch nur einen kleinen Teil innerhalb eines komplexen Systems ein, wenn es um die Vermarktung geht. Ob Künstler, Kurator, Galerist, Kunstberater, Auktionator oder Sammler – jeder versucht auf seine Art und Weise einem Kunstwerk Wert und Bedeutung zu verleihen bzw. von der Kunst zu profitieren. Doch was macht einen Künstler berühmt? Und wie kann er sich selbst vermarkten?
Viele Künstler machen die Erfahrung, wie schwer es ist in den Kunstmarkt einzutauchen. Oft beginnt es damit, dass man sich bei einer Galerie bewirbt, diese aber teilweise gar nicht erst reagiert oder eine Absage erteilt. Besonders bei frischen Akademieabgängern fällt auf, dass sie anfänglich mit Begeisterung in der Kunstszene auftauchen und dann immer unregelmäßiger kommen, bis man sie gar nicht mehr sieht. Das ist schade und hier können wir von amerikanischen Unternehmern lernen, die mit großem Selbstbewußtsein Ideen entwicklen und deshalb gute Ernten einfahren.
Ich vertrete die Meinung, dass Kunst ohne den Betrachter nicht existiert: erst die Interaktion macht sie zur Kunst. Dies setzt voraus, dass es Gelegenheiten gibt, um ein Kunstwerk zu entdecken und in diesem Fall empfiehlt es sich, die vielen existierenden Plattformen zu nutzen, die es auf der ganzen Welt gibt. Natürlich ist die Selbstvermarktung nicht Jedermanns Sache, aber nur selten klopft der Sammler von alleine an der Tür und fragt, ob er etwas kaufen kann. Die Arbeit des Kunstvermittlers – ob Galerist, Kurator oder Kunstberater – ist wesentlich, denn er hat die richtigen Kontakte und weiß, wie er ein Kunstwerk verkaufen muss. Und eines weiß ich nach über 20 jähriger Tätigkeit gewiss: ohne Kontakte hat keiner im Kunstmarkt eine Chance.
Also, raus mit der Kunst, so dass wir sie sehen können!
Hier einige Tips, wie ihr weiterkommen könnt:
Was macht einen Künstler berühmt?
Viele Sammler lassen sich inspirieren von guter Kunst. Sie leben mit ihr, wechseln sie aus, laden Gäste ein, um mit Ihnen leidenschaftlich über die Werke zu debattieren. Doch wie kauft ein Sammler ein? Anhand welcher Kriterien entscheidet er sich für die jeweilige Kunst? Zunächst muss das Kunstwerk formal und inhaltlich entdeckt werden. Nach intensiver Betrachtung folgt der Blick in die Vita und danach die Frage nach weiteren Werken. Handelt es sich bei der gesehenen Arbeit um ein gelungenes Einzelwerk oder hat der Künstler mehrerer Werke dieser Art? In welchem Umfeld bewegt sich der Künstler? Wo hat er studiert oder ist er ein Autodidakt? Von welchen Galerien wird er vertreten? Hat er Auszeichnungen erhalten? Wurde über ihn geschrieben und wenn ja von wem? Ist er bereits anderen Sammlern aufgefallen? Stehe ich vor einer Neuentdeckung? Der geschulte Sammler entscheidet mittels Bauchgefühl, aufgrund seines Wissen sowie seiner Erfahrung, des zur Verfügung stehenden Budgets und im Vertrauen auf die Zukunft des Künstlers. Manche Sammler entscheiden sofort, anderen haben eine Watchliste und lassen sich Zeit. Fehlentscheidungen sind einkalkuliert. Und so manch nicht erworbenes Werk, kann jahrelang schlaflose Nächte bereiten, weil es nicht mehr verfügbar ist. Andere Werke müssen die Sammlung wieder verlassen, weil diese sich verändert bzw. weiterentwickelt hat. Das Gute ist: Kunstwerke kommen und gehen – sie bleiben im Fluss!
Doch wie gelangt die Kunst in den Markt?
Der Weg ist das Ziel
Überlegt Euch zunächst, was das Besondere an Eurer Kunst ist. Denn wenn ihr dies selbst nicht wisst, wie sollen sich andere dafür interessieren? Überlegt Euch dann, wen ihr erreichen wollt? Wer ist Eure Zielgruppe? Wollt ihr ins Gespräch kommen? Wollt ihr berühmt werden, einfach nur überleben können oder beides? Ist Kunst zu schaffen, Eure Berufung? Wollt ihr dass Eure Werke von anderen gesehen werden oder sollen sie Eure Atelier am besten nie verlassen? Meine Empfehlung: Lernt Euch zu trennen, von der Kunst, auch wenn sie noch so gut ist!
Denkt darüber nach, wer in Eurem Umfeld möglicherweise gute Kontakte hat und welche Galerie in der Umgebung ein Program verfolgt, in das ihr eventuell passt! Wie oft schon habe ich erlebt, dass ein Künstler in eine Galerie hereinspaziert um sich zu präsentieren, ohne dass seine / ihre Kunst auch nur annähernd den Geschmack des Galeristen widerspiegelt. Informiert Euch über das Programm und die Aktivitäten der Galerien und interessiert Euch für die aktuelle Ausstellung. Das gibt Pluspunkte. Ist der Galerist gerade nicht verfügbar (und das ist zu 90% der Fall, weil er in der Tat mit sehr viel Druck seine Verkäufe vorantreiben muss!), dann versucht Euch mit den Mitarbeitern anzufreunden, Euch kurz zu fassen und gute Inhalte zu hinterlassen – in Form von flyern, Ausstellungskatalogen oder einer gut und präzise aufbereiteten Mappe. Kommt auf die Vernissagen und versucht unaufdringlich ins Gespräch zu kommen: Hier tummeln sich eine Menge Kunstinteressierter herum! Zeigt Präsenz, aber dezent! Und fragt nach ein paar Wochen nach, ob sich schon eine Gelegenheit ergeben hat, Eure Kunst anzusehen. Wenn ja, dann geht einen Schritt weiter und vereinbart einen Atelierbesuch. Wenn nein, dann bleibt höflich und fragt, ob sie eine Empfehlung andernorts aussprechen können.
Kommt es zu einer Ausstellung, dann ist das Tor in die Kunstwelt schon einmal geöffnet. In der Regel übernimmt der Galerist das Marketing (Transport, Pressemitteilung, Einladungskarten, Beschriftung, Vernissage, Messauftritte, etc.). Ob es tatsächlich zu Verkäufen kommt ist ungewiss, aber bitte seid nicht ungeduldig. Dies geschieht nicht an einem Tag. Und das größere Risiko trägt der Galerist, der sowohl Geld als auch Vertrauen in Euch investiert. Seid ihr noch unbekannt, wird auch er nicht davon leben können, auch wenn die übliche Kommission von 50% anfangs sehr hoch erscheinen mag. Eure Ausstellung wird er nur durch Zugpferde, deren Preise bereits höher liegen, finanzieren können. Hintergeht ihn also nicht durch Atelierverkäufe, sondern beteiligt ihn stets am Erfolg. Er ist bereit mit euch zu wachsen und das ist heute sehr viel Wert.
Kleiner Tipp: konfrontiert einen Galeristen nicht auf Messen mit eurer Kunst. Er muss sich hier auf potentielle Käufer konzentrieren und hat mit Sicherheit kein freies Ohr für Euch.
Galeriealternativen
Wenn Euch keiner will, dann werdet selbst aktiv. Schließt euch zusammen. Gemeinsam lässt sich viel erreichen. Macht Ausstellungen. Es findet sich immer ein Raum. Auch der Besuch in Privaträumen, die sogenannte Home-Galerie, kommt immer noch gut an. Ladet ein paar ausgewählte Persönlichkeiten ein: zu einem Drink, Würstchen und Bier, Dinner oder einfach so. Es ist nicht unüblich, dass man für ein Bier auf Eröffnungen zahlen muss. Vielleicht findet ihr auch jemanden, der diese Ausstellung kuratiert und dabei gleichzeitig als weiterer Netzwerker fungiert. Oder es hält jemand eine Eröffnungsrede. Macht eine Pressemitteilung – ein Versuch ist es Wert. Eine fachlich gut geschriebene Kritik schafft in jedem Fall Mehrwert und bringt Euch ins Gespräch. Einladungskarten oder flyer gibt es heute kostengünstig im Onlineversand. Sammelt Visitenkarten, baut Euch einen Verteiler auf und hinterlegt in der Umgebung Informationsmaterial. Vielleicht eröffnet ihr auch eine Produzentengalerie und wachst gemeinsam in den Markt. Raum-Kosten-Zeit- und Energie-Sharing hat schon so manche Künstler erfolgreich gemacht.
Zudem gibt es inzwischen zahlreiche Künstlermessen, bei denen man sich bewerben kann. Zwar muss man hier im Vergleich zu Galerieplattformen seinen Stand und Spesen selber zahlen, doch wenn dieser Betrag nicht allzu hoch ist, die Veranstalter gut vernetzt sind und der Standort stimmt, dann lohnt sich das! Vielleicht findet sich auch ein Mäzen, der diese Kosten übernimmt – bestenfalls im Austausch mit einem Werk. Fragen kostet nichts und mehr als ein Nein riskiert ihr nicht.
Der Onlineauftritt
Die Vermittlung von Kunst findet heute nicht nur im physischen Raum statt. Die virtuellen Möglichkeiten der Vermarktung sollten nicht unterschätzt werden. Ohne Website hat man im 21. Jahrhundert viele Möglichkeiten verspielt! Sie bietet die beste Plattform, Eure Werke 24 Stunden am Tag zu erreichen. Es gibt heute vorgefertigte Templates, die es jedem Laien ermöglicht eine Seite kostengünstig zu bauen, meist braucht ihr nicht einmal einen Programmierer dafür. Wichtig sind die Inhalte. Und auch hier gilt wie an andere Stelle: weniger ist mehr. Konzentriert Euch auf eine einfache Struktur mit aussagekräftigen Bildern. Als Menüpunkte reichen eine Galerie mit Abbildungen, die Vita und wichtig: der Kontakt! Hier könnt ihr entweder auf Eure Galerie verwiesen oder aber Eure eigene Email verlinken. Je nach Laune empfiehlt es sich, die Möglichkeit zu geben, sich in einen newsletter einzutragen. Wichtig ist, dass ihr Eure Inhalte regelmäßig aktualisiert und mit den richtigen Schlagwörtern verlinkt, so dass die Seite auch schnell gefunden werden kann. Die Bilder sollten gut aufgelöst sein oder die Funktion haben, dass man sie größer zoomen kann. Sehr beliebt sind die sogenannten social media buttons, welche die Möglichkeit geben Eure Bilder oder Inhalte mit dem Rest der Welt zu teilen. Verwendet nicht zu viele Bilder – es sei denn ihr nutzt Eure Webseite als Werkverzeichnis wie es beispielsweise Gerhard Richter tut. Dann aber bitte konsequent! Vielleicht wollt ihr zudem einen kleinen Text über euch einbauen. Der Menüpunkt „About Me“ wird immer gerne gelesen und lässt mehr über Euch erfahren. Fasst Euch auch hier möglichst kurz und überlegt, was wesentlich ist. Gebt Euch Mühe mit dem Onlineauftritt, er hinterlässt den ersten Eindruck und soll nachhaltig Neugier wecken. Die Vita sollte nicht unnötig frisiert sein. Der Kunstkenner liest was hinter den Zeilen steckt. Auch eine kurze Vita kann Eindruck schinden, wenn die Qualität der Ausstellungen und Preise stimmen. Nichts gegen Anwaltsausstellungen und die Geburt von Familienmitglieder auf die wir stolz sein können – ihre Erwähnung in der Vita ist jedoch eher unüblich und nicht zuletzt unprofessionell.
Neben der eigenen Webseite sind heute zahlreiche Plattformen aktiv, auf denen ihr für Eure Kunst werben könnt. Bei Facebook gibt es Communities zu jedem Thema, die froh über externe Inhalte sind. Ihr könnt Abbildungen, Ausstellungsankündigungen oder Eure Tagesform posten. Ihr könnt Euch informieren, wie es anderen geht und von ihnen lernen. Saatchi und andere Online-Plattformen bieten den Service an, Eure Kunstwerke gegen eine geringe Gebühr global zu verkaufen. Aktive Nutzer werden zu kuratierten Online-Ausstellungen eingeladen, was bedeutet dass sich in der Regel Experten mit euren Arbeiten auseinandersetzen und diese für das Publikum neu zusammenstellen.
Kunstpreise – ein Garant für Gute Kunst?
Kunstpreise werden meist in Form von Ausschreibungen eines Wettbewerbs von privaten oder öffentlichen Stellen vergeben. Sie zeichnen Künstler für besondere künstlerische Leistungen aus. Sie sind mehr oder weniger hoch dotiert oder fördern durch ideelle Werte, in jedem Fall aber steigern sie den Wert Eurer Kunst. Der Mehrwert und die Vergabe der Preise hängt sehr stark von den Veranstaltern ab, der Stärke der Jury und deren Verflechtungen innerhalb des Kunstbetriebs. Kunstpreise und Förderungen bilden heute eine wesentliche Existenzgrundlage für den Kunstnachwuchs. Die Etablierteren unter Euch werden für ihre jahrelangen Leistungen geehrt. Es gibt viele Angebote und Möglichkeiten im Bereich Kunstwettbewerbe und am anderen Ende sitzen Menschen, die sich mit Eurer Kunst auseinandersetzen. Das Angebot sollte attraktiv sein, der Aufwand sollte sich in Grenzen halten und die Anmeldegebühren überschaubar sein. Artists-in-residency Programme geben Euch die Möglichkeit, ein paar Wochen auszusteigen und mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten. Sie fördern den internationalen Austausch und bieten einen atmosphärischen Ort für die künstlerische Entfaltung.
Zu guter Letzt: Haltet durch! Glaubt an Euch! Ausdauer, Geduld und Kontinuität im Schaffensprozess sind der Garant für Erfolg. Austausch ist wichtig, vor allem die Kritik. Nicht jeder wird Eure Kunst mögen, aber es gibt da draussen Leute, die Eure Kunst lieben. Nehmt Kritik nicht persönlich, aber denkt darüber nach – sie wird Euch in jedem Fall weiterbringen und Eure Kunst wird uns alle überleben!
Denn wie sagte schon Johann Wolfgang von Goethe: „Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben.“ (Johann Wolfgang von Goethe)
Autor: Annette Doms